Altarkreuz
Dr. Martina Horn
Das Altarkreuz der St. Johanniskirchengemeinde
Das außergewöhnliche Altarkreuz, das bis zum Beginn der Ausgrabungen auf dem Altar der Johanniskirche stand, wurde 1956 von den Goldschmieden Gerda und Hans Philipp aus Biebesheim in Hessen geschaffen. Der Entwurf stammt vom Architekten Prof. Karl Gruber, der die Kirche nach dem Krieg wieder instand setzte.
Betrachtet man das Kreuz genauer, stellt man fest, dass es kein typisches, den üblichen Sehgewohnheiten entsprechendes Passionskreuz mit dem leidenden Christus darstellt. Weder Passionssymbole wie die Dornenkrone oder die Wundmale noch der S-förmig gebogene Körper oder das zur Seite geneigte Haupt mit geschlossenen Augen des am Kreuz qualvoll gemarterten Christus sind hier zu finden. Dieses Kreuz zeigt den erhöhten Christus der Auferstehung, der den Tod besiegt hat. Er hängt nicht am Kreuz, er steht oder schwebt vielmehr aufrecht vor dem Kreuz. Seine Arme sind in Orantenhaltung, im fürbittenden, auf Gott weisenden Gestus erhoben, oder segnend und eine Einladung zur Nachfolge. Der Blick seines erhobenen Kopfes ist weit in die Ferne gerichtet. Der leuchtend tiefblaue, strahlende, in leichten Variationen changierende Hintergrund verweist auf die transzendente himmlische Sphäre, den neuen Himmel, den Übergang ins Unendliche und die Verwandlung vom Tod zum ewigen Leben. Die kleinen glitzernden Kristalle versinnbildlichen die kosmische göttliche Macht und sind zugleich Hoffnungssterne einer jenseitigen Welt und der Erlösung, oder auch eine Anspielung auf die Perlen des himmlischen Jerusalem. Außergewöhnlich ist auch die Gestaltung als griechisches gleichschenkliges Kreuz. Es hat nicht die typische Form eines Kruzifixes, eines Passionskreuzes. Wie auch die intensive blaue Farbe weisen die vier sich erweiternden Arme in kosmische Dimensionen. Auf den vier Enden und Elementen der Welt steht Christus im Zentrum des Universums. Das Kreuz vereinigt Erde und Himmel, Zeit und Raum. Dieses "Triumphkreuz" symbolisiert die Ewigkeit. Der Tod ist nicht das Ende, sondern im Kreuz ist Heil, ist Hoffnung, ist neues Leben. Der weißlich gefärbte Ständer des Kreuzes korrespondierte ursprünglich mit den hell getünchten Wänden der Kirche, so dass die Illusion eines über dem Altar schwebenden Himmelskreuzes entstand. Möglicherweise findet sich im Kreuz ein Verweis auf die johanneische Herrlichkeits-Christologie, in der Kreuzigung, Auferstehung und Erhöhung eine Einheit bilden. Zum Schluss eine kurze Anmerkung zur Zahlensymbolik bei der Aufteilung der Einzelfelder: Vier ist die Zahl des weltumspannenden irdischen Kosmos, drei die himmlische Zahl der göttlichen Trinität, vier mal drei die Vereinigung von Erde und Himmel, von Zeit und Ewigkeit, im Zentrum das unteilbare eine Quadrat als Uranfang und Ende, davor Christus als der Mittler und Erlöser.
Vielleicht haben Sie andere Gedanken und Assoziationen zum Kreuz, es eröffnet viele Möglichkeiten einer Deutung, wir bleiben im Gespräch...
Dieses ästhetisch sehr ansprechende Kreuz ist für die Gemeinde ein Stück Erinnerungskultur an die "verlorene" Kirche vor den Ausgrabungen. Es ist für viele mit wichtigen kirchlichen Ereignissen in ihrem Leben verbunden. Bei der Gemeindeversammlung stand es zum ersten Mal wieder auf dem neugestalteten Altar. Wir hoffen, dass es spätestens nach Beendigung der Bauarbeiten dort seinen festen Platz findet.